Article “Digitaler Sozialimus?”
Evgeny Morozov, einer der renommiertesten Analysten und Kritiker des Digitalen Kapitalismus, hatte im November 2019 auf dem gleichnamigen Kongress der FES den Versuch einer Bestandsaufnahme unternommen. Obwohl er selbst schon früh wesentlich zu unserem Verstehen des Digitalen Kapitalismus beigetragen hat, räumte er ein: „Uns fehlt nicht nur das übergreifende Verständnis der Dynamiken der Digitalwirtschaft, sondern auch des Kapitalismus selbst.“[i]
In seiner Eröffnungsrede, die im Januar in den Blättern erschienen ist, stellte er zudem die Frage, welche Rolle „Sozialdemokratie und Sozialismus spielen sollten, um ihn [den digitalen Kapitalismus] auszubalancieren oder ihm entgegenzutreten“ (Hervorhebung von mir). Er attestiert beiden Bewegungen insbesondere das Eintreten für „Gleichheit und soziale Gerechtigkeit“, nennt als Wesensmerkmal aber auch ihr Bestreben nach der Durchsetzung „institutioneller Innovation“. Er führt die Sozialversicherungen oder die betriebliche Mitbestimmung als historische Beispiele für derartige „soziale[n] Innovationen“ an. Er betont zudem, grundlegende Infrastrukturen als öffentliches Gut zu betrachten, sei immer ein Kennzeichen dieser Bewegungen gewesen.
Morozovs Gedanken aufnehmend, werde ich den Erkenntnisstand über das Funktionieren des Digitalen Kapitalismus in groben Zügen darstellen und eine eigene Einschätzung, was Ausbalancieren und Entgegentreten, aber auch was Innovation sozialer Institutionen in diesem Kontext bedeuten könnte, abgeben.
[i] Evgeny Morozov, Digitaler Sozialismus. Wie wir die Sozialdemokratie ins 21. Jahrhundert holen. In: Blätter, Ausgabe Januar 2020.