Article: “Dezentralaland: Der Mythos der Dezentralität ist so alt wie das Internet.”


In: OXI Wirtschaft anders denken
oxiblog.de/aktuelle-ausgabe

Blockchain heißt jetzt Web3. Der Begriff existiert zwar schon länger, erfreut sich aber derzeit, bedingt durch den Medienzirkus rund um digital signierte NFTs, eines Popularisierungsschubs.

Als Web3 wird die Vorstellung einer neuen technologischen Iteration des World Wide Webs bezeichnet, die auf Blockchain-Technologie basiert.

WWW Das 1991 von Tim Berners-Lee initiierte WWW, ein auf offenen Protokollen basierender Dienst im Internet – und das in der Rückschau als Web 1 genannt wird – bestand im Wesentlichen aus statischen Seiten, die nur lesbar waren, und Werbung spielte so gut wie keine Rolle.

Web 2.0 Das ca. ab 2004 sich entwickelnde Web 2.0 – ein Begriff der auf Tim O’Reilly zurückgeht, steht die Beteiligung der NutzerInnen im Vordergrund. Digitale Plattformen und Social Media entstanden, die das Sammeln von Daten und deren Verkauf an Werbetreibende als Geschäft für sich entdeckten.

Bei der dritten Iteration Web3 werden alle zu Eigentümern ihrer Daten bzw. Aktivitäten, die  Macht der Plattformen kann gebrochen werden – so jedenfalls das Versprechen der Befürworter dieser Entwicklung / das herrschende Narrativ. Doch auch ins Web 1 und Web 2 wurden schon ähnliche Hoffnungen gesetzt, doch aus der Hoffnung auf einen egalitären Cyberspace als Hort demokratischen Austauschs wurde nichts, die dezentralen Basistechnologien des WWW wurden zur Grundlage der digital-kapitalistischen Plattform-Ökonomie. Ähnlich ernüchtern sieht die Bilanz für Open Source Software aus, sie ist heute aus der digitalen Welt nicht mehr wegzudenken, integraler Bestandteil der und perfekt integriert in die Aktivitäten aller Software-Firmen und Dienste-Anbieter geworden.

Wiederholt sich bei Web 3 was schon mit anderen Technologien und ihren demokratisierenden Versprechungen geschehen ist? Dass die erhofften intrinsischen Eigenschaften sich letztlich gegen eine Demokratisierung wenden bzw. zu einer Optimierung und Weiterentwicklung von kapitalistischen Verhältnisse führen, und nicht zu mehr Transparenz und Offenheit?