Article “Das Agilitäts-Dispositiv”


Die Coder-Klasse zwischen Selbstermächtigung
und digitalem Taylorismus

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Agile Methoden haben die Softwarebranche revolutioniert: kleine, selbstorganisierte Teams produzieren in kurzen Iterationszyklen immer neue Iterationen – ein perpetuierter Kreativprozess. Darüber hinaus sind sie auch in nahezu alle Branchen, in denen Projekte gestemmt, kreativ gearbeitet, neue Produkte und Dienste entwickelt werden, nicht mehr wegzudenken. Auch jenseits des Arbeits- und Projektlebens heißt die Parole: sei agil, beweglich, flexibel! Bleib nicht stehen, investiere in Dich selbst, erfinde Dich neu! Schon Kinder müssen performant sein und Kompetenz beweisen, und auch für Senioren gibt es keine Pause: Ruhestand war gestern, heute muss immer etwas unternommen werden!

Das alte Wasserfall-Modell aufeinander aufbauender Projektphasen mit festen Regeln, Rollen und Abläufen gehören nicht nur in der Arbeitswelt der Vergangenheit an. Aus der festen Abfolge von Kindheit, Ausbildung, Berufsleben und Lebensabend wird ein Kontinuum an Aktivitäten. Nicht nur das Berufsleben, auch das Private wird zum Projekt, und es wird gemessen, evaluiert und bewertet, was das Zeug hält: Der Arbeitgeber zählt die Klicks und die Augenbewegungen, in der Freizeit zählen wir unsere Schritte und berechnen unseren Gesundheits-Score. In der agilen Welt sind wir ständig angehalten, als unsere eigenen Manager zu agieren, ganz wie ein DAX-Konzern.